Bild mit dem Logo des Zensus 2022

Hessisches Statistisches Landesamt

Von der Methodik bis zum kommunalen Finanzausgleich: Zehn Fakten zum Zensus 2022

Seine Ergebnisse kursieren aktuell in allen Medien, aber über die Hintergründe erfährt man in der Berichterstattung nicht viel. Dabei liefert der Zensus essenzielle Bevölkerungs- und Wohnungsdaten für Bund, Länder und Kommunen. Was genau wird beim Zensus ermittelt und wie, und warum ist eine regelmäßige Inventur durch den Zensus so wichtig? Zehn Fakten über das Großprojekt der amtlichen Statistik.

Am 25. Juni 2024 haben die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder die zentralen Ergebnisse des Zensus 2022 veröffentlicht. Seitdem berichten die Medien nahezu täglich darüber: Wo sind die Bevölkerungszahlen gestiegen, wo gesunken und welche Auswirkungen haben die neuen amtlichen Zahlen auf Länder und Kommunen? Welcher Landkreis ist Vorreiter bei Wärmepumpen als Energieträger, wo sind die Mieten am günstigsten und in welcher Kommune stehen die meisten Wohnungen leer? Und schließlich: Wie wurden die Ergebnisse des Zensus ermittelt, warum ist ein Zensus überhaupt notwendig und ist die Methodik überhaupt rechtmäßig? Die folgenden zehn Fakten fassen die wichtigsten Informationen rund um den Zensus zusammen.

1. Alle EU-Staaten sind gesetzlich zum Zensus verpflichtet

Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sind gesetzlich verpflichtet, alle zehn Jahre, jeweils am Anfang eines Jahrzehnts, einen Zensus durchzuführen. Grundlage für den Zensus ist die EU-Verordnung (EG) Nr. 763/2008. Wie der Zensus durchgeführt wird, ist im nationalen Recht der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geregelt. Die Rechtsgrundlage für den Zensus 2022 und seine Vorbereitung bilden in Deutschland das Zensusgesetz 2022, das Zensusvorbereitungsgesetz 2022 sowie das Bundesstatistikgesetz. Mit dem Zensus 2022 nahm Deutschland an einer EU-weiten Zensusrunde teil. Zensus-Stichtag für Deutschland war der 15. Mai 2022.

2. Ziel des Zensus ist eine neue valide Bestandsaufnahme

Die Vereinten Nationen empfehlen, die Bevölkerung alle zehn Jahre zu zählen. Dahinter steht insbesondere auch die Erfahrung, dass Register im Laufe der Zeit Ungenauigkeiten beinhalten und nicht immer die Realität abbilden. Genauso wie Unternehmen ihre Bestände durch regelmäßige Inventuren prüfen und im Bedarfsfall korrigieren, erhebt der Zensus alle zehn Jahre aktuelle Bevölkerungs- und Wohnungsdaten für Deutschland. In Deutschland wird zur Ermittlung der Bevölkerungszahlen ein sogenannter registergestützter Zensus durchgeführt, der besonders belastungsarm für die Bevölkerung ist: Dabei werden in erster Linie Registerdaten genutzt und durch Stichprobenbefragungen ergänzt. Die Stichprobenbefragungen bei rund zehn Prozent der Bevölkerung (Zensus 2022: bundesweit rund 10 Millionen Befragte) sind notwendig, um etwaige Ungenauigkeiten der Melderegister festzustellen und Daten zu erheben, die nicht in den Registern vorliegen, wie zum Beispiel Angaben zu Bildung und Ausbildung oder zur Erwerbstätigkeit. Darüber hinaus ermittelt der Zensus auch Wohnungsdaten. Weil es dafür in Deutschland keine flächendeckenden Register gibt, ist die Gebäude- und Wohnungszählung eine Vollerhebung, das heißt, alle Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohnraum werden befragt (Zensus 2022: bundesweit rund 23 Millionen Befragte). Durch einen festgelegten Mindestumfang von Merkmalen, der in allen EU-Mitgliedstaaten derselbe ist, sind die Ergebnisse des Zensus auf europäischer Ebene vergleichbar.

3. Die Rechtmäßigkeit der Methodik des Zensus ist vom Bundesverfassungsgericht bestätigt

Die Methodik des Zensus ist umfassend wissenschaftlich geprüft, um ein hohes Maß an Sicherheit und Qualität der Daten zu gewährleisten. Sie ist durch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19. September 2018 als verfassungsgemäß beurteilt worden. Die für die Bevölkerungszahlermittlung verwendeten statistischen Berechnungsmethoden sind verlässlich und wurden korrekt angewendet. Prof. Dr. Ralf Münnich, Leiter der Professur für Wirtschafts- und Sozialstatistik der Universität Trier, hat den Zensus und seine Methodik unabhängig und wissenschaftlich begleitet.

4. Die Ergebnisse des Zensus haben eine hohe Qualität

Die amtliche Statistik erhebt ihre Daten gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag nach den Grundsätzen der Neutralität, der Objektivität und der wissenschaftlichen Unabhängigkeit. Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben wurden die Ergebnisse des Zensus nach internationalen wissenschaftlichen Standards erstellt. Das systematische Qualitätsmanagement der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder hat dies sichergestellt. Alle Aktivitäten bei der Entwicklung, Erstellung und Verbreitung von Statistiken – und damit auch beim Zensus – sorgen für die Sicherstellung der Qualität der statistischen Endprodukte und somit der Ergebnisse, die den Nutzerinnen und Nutzern bereitgestellt werden.

5. Mit dem Zensus werden die bisherigen amtlichen Bevölkerungszahlen auf eine neue aktuelle Basis umgestellt

Die Feststellung der Bevölkerungszahl durch den Zensus bildet die Grundlage der Bevölkerungsfortschreibung. Die Bevölkerungsfortschreibung schreibt mit Angaben der Statistiken der Geburten und Sterbefälle sowie der Wanderungsstatistik die Ergebnisse des jeweils jüngsten Zensus als Basis fort. Sie wird mit zunehmender Entfernung vom Basiszeitpunkt allerdings ungenauer, das heißt, die Abweichungen zwischen der Fortschreibung, die auf den Angaben der Kommunen beruht, und den realen Gegebenheiten werden größer, je länger der letzte Zensus zurückliegt. Der Grund dafür ist, dass die Kommunen für die Pflege ihrer Melderegister und ihre Meldungen an die amtliche Statistik darauf angewiesen sind, zeitnah über Änderungen in der Bevölkerung informiert zu werden. Dies ist nicht immer der Fall. Manche Personen melden sich nicht an ihrem Wohnort an, andere ziehen um, ohne sich abzumelden, oder bereits verstorbene Personen werden weiterhin im Melderegister geführt. Daher muss die Bevölkerungsfortschreibung durch den Zensus regelmäßig eine neue aktuelle Basis erhalten.

6. Melderegister werden wegen des Rückspielverbots nicht durch den Zensus bereinigt

Anders als die Bevölkerungsfortschreibung, die durch den Zensus regelmäßig korrigiert und auf eine neue Basis gestellt wird, dürfen die im Rahmen von statistischen Erhebungen festgestellten Abweichungen in den Melderegistern den Kommunen nicht zurückgespielt werden (Rückspielverbot). Dort kann insofern also keine Bereinigung stattfinden und Registerungenauigkeiten bleiben weiterhin bestehen. Grund dafür ist das im Volkszählungsurteil von 1983 fixierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ein Zensus ist nur mit dem Grundgesetz vereinbar, solange das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausreichend gewürdigt wird. Damit ist klar geregelt, dass die im Rahmen von statistischen Erhebungen gewonnenen Daten und Informationen nur für Zwecke der Statistik und nicht für Zwecke der Verwaltung oder des Verwaltungsvollzugs genutzt werden dürfen. Das schließt auch die Korrektur von Melderegistern mit ein. Dies bedeutet, dass von der amtlichen Statistik ermittelte Korrekturbedarfe zuletzt im Rahmen der Volkszählung 1970 auf Einzelfallebene zurückgespielt wurden. Die in der Volkszählung 1987 und auch im Zensus 2011 von der amtlichen Statistik festgestellten Fehler in den Melderegistern wurden nicht oder nur dann bereinigt, wenn die Kommunen durch eigene Verfahren die Fehler gefunden haben. Anderenfalls sind die Fehler in den kommunalen Melderegistern möglicherweise noch heute vorhanden.

7. Die amtlichen Bevölkerungszahlen wirken sich auf Finanzausgleiche zwischen EU, Bund, Ländern und Kommunen aus – aber nicht unmittelbar

Nicht nur die Einteilung der Wahlkreise und die Stimmenverteilung im Bundesrat orientieren sich an den durch den Zensus ermittelten amtlichen Bevölkerungszahlen, sie sind auch maßgeblich für Finanzausgleiche zwischen EU, Bund, Ländern und Kommunen. Die Bevölkerungszahlen der Kommunen sind in Hessen eine zentrale Grundlage bei der Berechnung der allgemeinen Zuweisungen (Schlüsselzuweisungen) im Kommunalen Finanzausgleich (KFA) und ihre Veränderungen können grundsätzlich Einfluss auf die Höhe der Zuweisungen haben. Je stärker die Bevölkerungszahl bei einer einzelnen Kommune schwankt, desto deutlicher fallen die Veränderungen im KFA aus. Je mehr Kommunen von Zuwächsen oder Rückgängen betroffen sind, desto geringer fällt die Wirkung im KFA insgesamt aus. Inwiefern und in welchem Umfang sich die Ergebnisse des Zensus 2022 auf konkrete Kommunen Hessens im KFA auswirken, lässt sich zurzeit noch nicht beziffern und hängt auch davon ab, wie sich die diversen anderen Einflussfaktoren (nicht zuletzt die Höhe des KFA insgesamt) entwickeln. Unabhängig davon ist zu beachten, dass die jetzt vorgelegten Zensus-Ergebnisse erst für den KFA 2026 relevant sein werden.

8. Der Zensus dient als wichtige Planungs- und Entscheidungsgrundlage für Politik, Verwaltungen und Wirtschaft

Die Daten des Zensus liefern eine essenzielle Grundlage für politische Entscheidungen und nachhaltige Planungen, beispielsweise im Hinblick auf Infrastrukturmaßnahmen im Bereich Wohnen, Bildung und Mobilität. Der Zensus stellt außerdem Daten zu wichtigen aktuellen Themen wie die Energieträger und Heizungsart von Wohnungen und die Gründe für Wohnungsleerstand bereit. Zudem ist der Zensus die einzige Datenquelle für kleinräumig gegliederte soziodemografische Merkmale und ermöglicht – in Abhängigkeit von der Geheimhaltung – die Darstellung von Ergebnissen bis zur Gliederungsebene auf 100 mal 100 Meter.

9. Alle Veröffentlichungsformate des Zensus sind für alle Nutzenden kostenfrei in vollem Umfang verfügbar

Alle Daten des Zensus 2022 werden schrittweise in der Zensusdatenbank Öffnet sich in einem neuen Fensterin deutscher und englischer Sprache zur Verfügung gestellt. Interessierte können dort unentgeltlich Tabellen bis auf Gemeindeebene nach eigenem Bedarf konfigurieren und flexible Auswertungen durchführen. Es stehen die Formate csv, csv flat und Excel zum Download bereit. Registrierten Nutzenden stehen weitere Funktionen und Services wie zum Beispiel der Abruf großer Tabellen (> 20 000 Werte) und automatisierte Datenabfragen mittels Webschnittstelle (API) zur Verfügung. Der Zensus-AtlasÖffnet sich in einem neuen Fenster stellt eine Auswahl von Merkmalen des Zensus kartografisch dar und bietet kleinräumige Daten auf Gitterzellen-Basis über die Grenzen der Gemeinden hinaus an. Download-Tabellen der Zensus-Ergebnisse werden auf der Zensus-InternetseiteÖffnet sich in einem neuen Fenster bereitgestellt. Die wichtigsten Ergebnisse für Hessen sind in Pressemitteilungen Öffnet sich in einem neuen Fenstermit entsprechendem Begleitmaterial auf der Internetseite des Hessischen Statistischen Landesamts zusammengefasst.

10. Antworten auf viele weitere Fragen rund um den Zensus gibt es online

Tiefergehende Informationen, besonders auch zur Methodik des Zensus, stehen auf der Zensus-InternetseiteÖffnet sich in einem neuen Fenster zur Verfügung. Auch die Internetseite des Hessischen Statistischen Landesamts verfügt über ein umfangreiches Informationsangebot rund um den ZensusÖffnet sich in einem neuen Fenster. Nach der Ergebnisveröffentlichung des Zensus 2022 wurden die FAQ Öffnet sich in einem neuen Fensterum weitere häufig gestellte Fragen aktualisiert.

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