Landesweite Erfassung von Ernteerträgen durch Kopplung von Satellitenbildern, Verwaltungsdaten und in-situ Daten
Von Dr. Jens Hollberg (Hessisches Statistisches Landesamt), Sarah Wilfling und Dr.-Ing. Damian Bargiel (beide Technische Universität Darmstadt)
- Fernerkundungsdaten – ein Weg zu flächendeckenden Ertragsdaten für die Landwirtschaftsstatistik?
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- Status Quo und nächste Schritte
- Literatur
1. Fernerkundungsdaten– ein Weg zu flächendeckenden Ertragsdaten für die Landwirtschaftsstatistik?
Aktualität, Flächenabdeckung und Kleinräumigkeit sind bedeutende Anforderungen an die Landwirtschaftsstatistik − sowohl heute, als auch in Zukunft. Um den steigenden Bedarf nach Daten mit diesen Eigenschaften zu bedienen, strebt die amtliche Statistik den Einsatz moderner Technologien an. Daher sind Fernerkundungsdaten, darunter insbesondere Satellitenbilder, zunehmend für die amtliche Statistik von Interesse. Eine große Rolle spielt dabei das Copernicus Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union und der Europäischen Weltraumorganisation. Aus diesem Programm eignen sich zur Datenerfassung für die Landwirtschaftsstatistik insbesondere Bilder der Copernicus Sentinel-2-Satelliten.
Die Sentinel-2-Satelliten decken die gesamte Landesfläche Hessens mit einer Wiederholrate von wenigen Tagen ab und bieten die Möglichkeit, aktuelle Informationen zur Beschaffenheit landwirtschaftlicher Flächen abzuleiten. Durch die hohe räumliche Auflösung der Satellitenbilder von bis zu 10 Metern je Bildelement können auch kleinräumige Phänomene effizient aus dem All betrachtet werden. So können bewirtschaftete Flächen erfasst, das Wachstum der Pflanzen auf diesen Flächen quantifiziert und Veränderungen der Vegetationsbedeckung überwacht werden (Serrano et al. 2000; Hollberg & Schellberg 2017). Insbesondere die Erfassung von landwirtschaftlichen Erträgen lag dabei im Fokus zahlreicher Studien, die über Regressionsverfahren oder maschinelles Lernen Felderhebungen und Satellitenbilder in Beziehung setzten (Shanahan et al. 2001; Teal et al. 2006; Alganci et al-2014: Ferner et al. 2015; Chlingaryan et al. 2018). Dabei wurden insbesondere Sensoren, die im Bereich des sichtbaren Lichts sowie des Infrarots messen, genutzt (sog. Multispektralsensoren wie die des Sentinel-2-Satelliten).
Die Erfassung der landwirtschaftlichen Erträge ist eine der Kernaufgaben der Landwirtschaftsstatistik. Hier könnten Fernerkundungsdaten der Schlüssel zu einer flächendeckenden, detaillierten (d.h. bis zu 10 m räumliche Auflösung) und präzisen Erfassung der erwirtschafteten Erträge sein. Im Hessischen Statistischen Landesamt wird derzeit der Ertrag für ausgewählte Feldfrüchte im Rahmen der Besonderen Ernte- und Qualitätsermittlung (BEE, EVAS Nr.: 41246, siehe Abschnitt 2.1) als Stichprobe erhoben. Auf Basis dieser Daten sowie der Angaben freiwilliger Ernteberichterstattender wird eine Erntemenge auf Kreisebene berechnet. Was den statistischen Ämtern aber nicht vorliegt, sind flächendeckende kleinräumige Informationen zu den Erntemengen für Felder, die sich räumlich (unter Umständen sogar zwischen benachbarten Feldern) erheblich unterscheiden können. Solche Schwankungen der Erträge können u.a. durch Unterschiede der Bodenbeschaffenheit und des Klimas aber auch durch Gewitter und Hagelschlag ausgelöst werden. Mit Hilfe von Fernerkundungsdaten können flächendeckende Ertragsdaten gewonnen werden, die sich zur Identifizierung kleinräumiger Ertragsschwankungen sowie zur Validierung der Angaben der Ernteberichterstattenden eignen. Somit können Fernerkundungsdaten dazu beitragen, die Qualität sowie die Aktualität der Erhebungsdaten weiter zu erhöhen.
Daher hat das Hessische Statistische Landesamt diese Studie in Kooperation mit der Technischen Universität Darmstadt durchgeführt. Das Ziel war, Fernerkundungsdaten und fachstatistische Daten so zu kombinieren, dass eine kleinräumige Erfassung der Erträge ausgewählter landwirtschaftlicher Kulturen für die gesamte Anbaufläche Hessens erstellt werden kann. Dabei wurden frei verfügbare Satellitenbilder des Copernicus-Erdbeobachtungsprogramms sowie vorhandene Daten aus der Fachstatistik sowie der Verwaltung genutzt. Außerdem wurde evaluiert, ob auf Basis der gewonnenen Daten die Ausweisung von Erträgen nach verschiedenen Gliederungssystematiken (administrativ und naturräumlich) möglich ist.