Nutzung von Immobilienportalen

Wohnungsanzeigen für Neubauten als ergänzende Datenquelle für die Baustatistik

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Die amtliche Statistik erfasst mit den Statistiken der Baugenehmigungen, des Bauüberhangs, des Bauabgangs und der Baufertigstellungen ein vollständiges Bild über das Baugeschehen in Deutschland, da es sich um Vollerhebungen der genehmigungspflichtigen Bauvorhaben handelt. Ergebnisse zu den Baugenehmigungen werden monatlich veröffentlicht, die Statistik des Bauüberhangs, des Bauabgangs und der Baufertigstellungen sind jährliche Statistiken. Als experimentelle Statistik soll in einem Pilotprojekt der Blick auf das „monatlich neue Wohnraumangebot am Markt“ in Hessen gerichtet werden: neu erstellte bezugsfertige Häuser und Wohnungen, die jeden Monat neu auf dem Immobilienmarkt zur Miete oder zum Kauf angeboten werden. Dazu soll eine neue Datenquelle untersucht werden und zum Einsatz kommen: Inserate auf Online-Immobilienportalen. Inserate auf Online-Portalen können entweder automatisiert erfasst werden („Webscraping“; automatisches Aufrufen von Internetseiten und Extrahieren von Informationen von den Seiten) oder aber Seitenbetreiberinnen und Seitenbetreiber vermarkten diese Daten direkt selbst.

Inserate von Online-Immobilienportalen eignen sich gut, um einen besonderen Blick auf den Baubereich zu richten, ggf. Datenlücken zu schließen oder Ergebnisse früher zu berichten. Der Immobilienmarkt ist stark durch Online-Aktivitäten der Akteurinnen und Akteure geprägt. Online werden Immobilienobjekte inseriert, finden Anbieterinnen und Anbieter sowie Interessentinnen und Interessenten zueinander. Hier haben sich verschiedene Anbieterinnen und Anbieter kleinerer und größerer Online-Portale etabliert, auf denen Immobilien allgemein, z. T. aber auch spezialisiert inseriert werden (z. B. regionale Schwerpunkte, professionelle oder private Anbieterinnen und Anbieter, Wohn- oder Gewerbeimmobilien, Neubauprojekte, Wohnungen, Häuser usw.). Erste Erfahrungswerte zeigen einen hohen Abdeckungsgrad zwischen Immobilienportalen und Baufertigstellungsstatistik. Insbesondere in städtischen Gebieten ist die Anzahl an Immobilieninseraten höher als in ländlichen Gebieten. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass der Abdeckungsgrad hier ebenfalls höher ist.

Ergebnisse

Folgende Abbildung 1  zeigt für zwei Immobilienportale die Anzahl der Inserate im Zeitraum Juli 2022 bis August 2023 (Basis Juli 2022 = 100 Prozent) für Neubauten (Objekte mit „Baujahr 2022 oder später“ und der Eigenschaft „Erstbezug“). Im Dezember und Januar sinkt die Zahl neu inserierter Neubauten, bleibt sonst aber auf ähnlichem Niveau.

Abbildung 1: Anzahl Inserate für Neubauten / Erstbezüge in Hessen von Juli 2022 bis August 2023

Anzahl Inserate für Neubauten /Erstbezüge in Hessen von Juli 2022 bis August 2023
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Tabelle 1 zeigt die höhere Anzahl an Inseraten insbesondere für die städtischen Gebiete, d. h. die kreisfreien Städte im und um das Rhein-Main-Gebiet: Die meisten Inserate beziehen sich auf Objekte in Frankfurt am Main (20,6 Prozent aller Inserate) und den Landkreis Offenbach (9,7 Prozent der Inserate). 7,6 Prozent der Inserate bewerben ein neu erstelltes Objekt in der Stadt Wiesbaden. Es folgen die Kreise Main-Kinzig und Main-Taunus mit jeweils rund 7 Prozent der Inserate sowie der Hochtaunuskreis und die Stadt Offenbach am Main mit jeweils knapp 6 Prozent aller Inserate.

Tabelle 1: Anzahl Immobilieninserate für Erstbezüge in Neubauten nach hessischen Landkreisen und kreisfreien Städten als Anteil an allen Inseraten für Erstbezüge in Neubauten in Hessen im Zeitraum Juli 2022 bis August 2023; durchschnittliche Anzahl Inserate pro Adresse

AGS

Landkreis, kreisfreie Stadt

Anteil Inserate
an allen Inseraten
in %

Anteil
Bevölkerung
an Gesamtbevölkerung
in %
Anzahl Inserate
pro Adresse

06411

Darmstadt, Wissenschaftsstadt

2,9

2,5 2,8

06412

Frankfurt am Main, Stadt

20,6 12,1 5,5
06413 Offenbach am Main, Stadt 5,5 2,1 5,4
06414 Wiesbaden, Landeshauptstadt 7,6 4,4 2,6
06431 Bergstraße 3,2 4,3 2,5
06432 Darmstadt-Dieburg 4,0 4,7 3,1
06433 Groß-Gerau 4,7 4,4 3,3
06434 Hochtaunuskreis 5,7 3,8 2,6
06435 Main-Kinzig-Kreis 7,1 6,7 3,1
06436 Main-Taunus-Kreis 6,5 3,8 3,5
06437 Odenwaldkreis 0,5 1,5 1,8
06438 Offenbach 9,7 5,7 3,7
06439 Rheingau-Taunus-Kreis 3,8 3,0 4,1
06440 Wetteraukreis 4,5 5,0 2,7
06531 Gießen 2,1 4,3 2,3
06532 Lahn-Dill-Kreis 2,4 4,0 3,3
06533 Limburg-Weilburg 2,2 2,7 3,5
06534 Marburg-Biedenkopf 1,9 3,9 2,6
06535 Vogelsbergkreis 0,1 1,7 1,4
06611 Kassel, documenta Stadt 1,2 3,2 3,8
06631 Fulda 1,4 3,6 2,4
06632 Hersfeld-Rotenburg 0,5 1,9 2,3
06633 Kassel 0,5 3,8 1,5
06634 Schwalm-Eder-Kreis 0,3 2,9 1,8
06635 Waldeck-Frankenberg 0,5 2,5 2,0
06636 Werra-Meißner-Kreis 0,4 1,6 3,2
  Hessen 100,0 100,0 3,4

 

Abbildung 2 zeigt diese Konzentration der Inserate auf das Rhein-Main-Gebiet und Mittelhessen.

Abbildung 2: Anzahl Immobilieninserate nach hessischen Landkreisen und kreisfreien Städten als Anteil an allen Inseraten im Zeitraum von Juni 2022 bis August 2023

Anzahl Immobilieninserate nach hessischen Landkreisen und kreisfreien Städten als Anteil an allen Inseraten im Zeitraum von August 2022 bis August 2023

Im Mittel werden 3,4 Objekte an einer Adresse inseriert – typischerweise werden verschiedene Wohnungen in größeren Neubauten gleichzeitig inseriert. Dabei verändert sich die Verteilung der Inserate (an einer Adresse) auf die hessischen Landkreise leicht.

Methode

Für mehrere verschiedene (auch verschieden große) Immobilienportale werden regelmäßig (i. d. R. wöchentlich) und automatisch alle Inserate für Neubauten (inserierte Objekte mit Baujahr ab 2022 bzw. Merkmal „Erstbezug“) in Hessen gesucht und erfasst („Webscraping“). Dazu werden Internetseiten automatisch aufgerufen und Angaben auf der Seite extrahiert, verarbeitet und gespeichert. Ein Betreiber eines weiteren Portals stellt dem Hessischen Statistischen Landesamt monatlich alle neuen Inserate für Neubauten und Erstbezüge zur Verfügung. Mehrfache Inserate desselben Objektes innerhalb eines Portals werden entfernt. Insbesondere Angaben zur Größe und Lage des Objektes sind als Angaben aus den Inseraten von Interesse, aber auch Angaben zu Kauf- oder Mietpreisen oder besondere Ausstattungsmerkmale werden von der Inseratsseite extrahiert und können aggregiert ein zusätzliches Angebot an Datennutzende sein (z. B. Barrierefreiheit, Energieeffizienzklassen, Energieträger, usw.; prinzipiell alle typischen Angaben in Immobilieninseraten). Der Vorteil dieser neuen Datenquelle und der Methode der Datengewinnung liegt darin, Ergebnisse bereits sehr kurz nach der Datenerhebung produzieren und veröffentlichen zu können.

Ausblick

Für ein vollständiges Bild des Baugeschehens (wie am Online-Immobilienmarkt beobachtet) können Inserate möglichst verschiedener Immobilienportale zusammengeführt und um Überschneidungen durch Inserate für dieselben Objekte (an derselben Adresse und mit derselben Lage im Gebäude) bereinigt werden. Perspektivisch werden für eine genauere Untersuchung der Abdeckung der Baufertigstellungsstatistik mit Inseraten aus Immobilienportalen Inserate und Baufertigstellungsanzeigen miteinander verglichen. Eine Herausforderung dabei ist, dass sich Inserate und Baufertigstellungsanzeigen auf unterschiedliche Objekte und Zeiträume beziehen können: Inseriert werden z. B. typischerweise größere Bauprojekte (oft auch bestehend aus mehreren Gebäuden), einzelne Häuser oder Wohnungen, wohingegen sich die Baufertigstellungsmeldungen auf einzelne Gebäude oder Gebäudeteile (z. B. eine Doppelhaushälfte), v. a. auch auf mehrere Wohnungen eines Hauses beziehen können (z. B. ein größeres Mehrfamilienhaus). Eine Schnittmenge stellt hier die Ebene der Adressen oder der kleinsten Gitterzelle (100x100m) dar. D. h. Immobilieninserate werden über die Adressebene (Ort, Straße und Hausnummer) auf Gitterzellen aggregiert und diese kleinräumigen Aggregate verknüpft und verglichen.

Bei diesem Verfahren ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine „Vollerhebung“ im Sinne der Baufertigstellungen handelt und der Anteil neuen Wohnraums tendenziell eher unterschätzt wird, da nicht alle neu erstellen Immobilien auf mindestens einem Online-Portal zur Miete oder zum Kauf angeboten werden und nicht alle existierenden Portale erfasst werden.

Ein klarer Vorteil der Methode: Da die automatische Datenerhebung im Internet bereits zum Ende des Referenzmonats abgeschlossen ist, können bereits kurz nach Ende des entsprechenden Berichtsmonats Ergebnisse für das monatliche Wohnraumangebot am Markt veröffentlicht werden. D. h., die Ergebnisse einer experimentellen Statistik können einerseits monatlich (im Gegensatz zu den jährlichen Ergebnissen der offiziellen Baufertigstellungsstatistik) erstellt und veröffentlicht werden, andererseits können die jährlichen Ergebnisse der experimentellen Statistik sechs Monate früher als die offizielle Baufertigstellungsstatistik veröffentlicht werden.

Zudem können Inserate auch zur Plausibilisierung der Meldungen für die Baufertigstellung verwendet werden oder bestehende Lücken schließen (z. B. unvollständige oder verspätete Meldungen).