Experimentelle Statistik, Forschungsgläser

Hessisches Statistisches Landesamt

Innovationsprojekt der amtlichen Statistik: Satellitengestützte Daten in der Landwirtschaft

Das Hessische Statistische Landesamt teilt erstmals Ergebnisse eines KI-gestützten Pilotprojekts für das Erntejahr 2024. Hierbei wurden mit Hilfe von Satellitenbildern und maschinellem Lernen Ernteerträge für Feldfrüchte ermittelt. Das neuartige Verfahren soll langfristig dazu beitragen, eine hochwertige amtliche Erntestatistik sicherzustellen.

Im Jahr 2018 hat das Hessische Statistische Landesamt ein Innovationsprojekt zur Fernerkundlichen Erfassung von Ernteerträgen (FernEE) gestartet. Das Besondere: Es stützt sich auf öffentlich zugängliche Satellitendaten, stichprobenartig erhobene Ertragsmessungen und Künstliche Intelligenz. Die nun ermittelten Daten für das Erntejahr 2024 verdeutlichen die Potenziale dieses experimentellen Vorgehens.

Pilotprojekt sorgt langfristig für Entlastung der Landwirtschaft

Bislang basiert die amtliche Erntestatistik für Feldfrüchte auf freiwilligen Schätzungen erfahrener Landwirtinnen und Landwirte. Fachpersonen für diese Aufgabe zu gewinnen, gestaltet sich zunehmend schwieriger. Im Laufe der vergangenen Jahre war die Zahl der Berichterstattenden rückläufig. Setzt sich diese Tendenz zukünftig fort, werden für manche hessischen Landkreise keine aussagekräftigen Zahlen mehr vorliegen. Das könnte die Qualität der Erntestatistik in Hessen gefährden. Genau hier setzt das hessische Innovationsprojekt an: Statt auf den subjektiven Schätzungen landwirtschaftlicher Fachkräfte basiert die Methodik auf Künstlicher Intelligenz, stichprobenartig erhobenen Ertragsmessungen und Satellitendaten. Daraus erstellt das Hessische Statistische Landesamt ein Modell, das vorerst Ernteerträge für vier von zehn Kulturen (Winterweizen, Winterroggen, Winterraps, Wintergerste) umfasst. Ein weiterer Vorteil: Zukünftig werden – selbstverständlich unter Einhaltung der statistischen Geheimhaltung – feingliedrigere regionale Daten bis auf Gemeindeebene zur Verfügung stehen.

Interaktive Karte verdeutlicht Potenzial der neuen Methodik

Bei den nun ermittelten Zahlen für die Ernteerträge 2024 lassen sich am Beispiel des Winterweizens nur geringe Abweichungen zum aktuellen Verfahren erkennen: Auf Kreisebene betrug der Unterschied zwischen den Ergebnissen der bisherigen und der neuartigen Methodik im Mittel lediglich 3,2 Dezitonnen pro Hektar (dt/ha) beziehungsweise 4,8 Prozent. Auf Landesebene wichen die Daten durch Aggregationseffekte nur um 2,7 dt/ha bzw. 4,0 Prozent voneinander ab. Regionale Unterschiede werden mit Hilfe der interaktiven Karte besonders gut erkennbar: Mit einem Klick ist zu sehen, dass unter anderem der Vogelsbergkreis, der Werra-Meißner-Kreis und der Wetteraukreis besonders hohe Übereinstimmungen zeigen. Im Gegensatz hierzu sind die Unterschiede bei den ermittelten Ernteerträgen im Odenwaldkreis, im Schwalm-Eder-Kreis, in Gießen und im Main-Kinzig-Kreis mit über 8,8 Prozent hessenweit am höchsten. Diese Abweichungen lassen sich durch methodische Unterschiede erklären. So werden in der bisherigen amtlichen Methodik beispielsweise die Ernteerträge dem Betriebssitz zugeordnet. Beim Projekt FernEE bestimmt hingegen die Lage des Felds, wo die Erträge vermerkt werden. Das bedeutet konkret: Wenn sich die Felder eines landwirtschaftlichen Betriebs und der Betriebssitz nicht im selben Landkreis befinden, kann dies in der neu entwickelten Methodik berücksichtigt werden. Der Ernteertrag wird also dem Landkreis zugeschrieben, in dem er auch angefallen ist. Ab dem kommenden Jahr wird der neuartige Ansatz erstmals auch für Ernteprognosen getestet. Perspektivisch soll das Verfahren deutschlandweit in der Erntestatistik eingesetzt werden.

Digitalisierung als Innovationstreiber der amtlichen Statistik

Das Projekt FernEE ist eines von mehreren Projekten, in dem das Hessische Statistische Landesamt federführend für den Statistischen Verbund digitale Methoden entwickelt. Mit Hilfe dieser neuen, wissenschaftlich geprüften Verfahren sollen aktuelle Daten künftig noch schneller bereitgestellt und zugleich Auskunftspflichtige weiter entlastet werden. Das Hessische Statistische Landesamt hat sich innerhalb des Statistischen Verbunds auf den Bereich „Neue, digitale Daten“ spezialisiert und treibt das Thema federführend für die amtliche Statistik in Deutschland voran.

Methodische Hinweise:

Die Abweichungen bei den Ergebnissen der amtlichen Statistik und des Projekts FernEE lassen sich auf verschiedene Datenquellen und methodische Unterschiede zurückführen. Drei wesentliche Unterscheidungsmerkmale in den Verfahren werden im Folgenden näher ausgeführt. Erstens werden die auf dem Expertenwissen der Berichterstattenden beruhenden Schätzungen grundsätzlich nicht für FernEE verwendet, um eine höhere Objektivität und eine Automatisierung der Ergebnisse zu ermöglichen. Zweitens werden in FernEE die Erträge nach der Lage des Felds einem Landkreis zugeordnet, in der amtlichen Statistik geschieht dies zurzeit hingegen noch über die Lage des Betriebssitzes. Drittens wurden bestimmte Ertragsmessungen nicht für FernEE verwendet, da sie entweder nicht eindeutig lokalisiert werden konnten oder sie lediglich für eine Stichprobe des Felds erhoben wurden. Trotz dieser verschiedenen Ansätze und Herangehensweisen unterscheiden sich die fernerkundlichen Ergebnisse nur in geringem Umfang von der amtlichen Statistik. Mit einer zukünftig größeren Datenbasis sind zudem noch bessere Ergebnisse zu erwarten.

Hinweise:

Für die grau eingefärbten Landkreise und kreisfreien Städte in der interaktiven Karte werden wegen der gesetzlichen Geheimhaltungspflicht keine Erträge der amtlichen Statistik veröffentlicht. Der Grund hierfür ist die geringe Zahl an Berichterstattenden in dem jeweiligen Gebiet. Für das Projekt FernEE besteht dieses Problem nicht, weil dessen Methodik nicht auf Schätzungen von Berichterstattenden basiert. Daher liegen auf der Kreisebene hier flächendeckend Erträge vor.

Weiterführende Informationen zum Einsatz von Fernerkundungsdaten in der Landwirtschaftsstatistik und zur Methodik finden Sie im Fachartikel „Erfassung von Ernteerträgen mit Satellitenbildern und maschinellem Lernen – das Projekt FernEE 2.0“,Öffnet sich in einem neuen Fenster der in der Zeitschrift "WISTA – Wirtschaft und Statistik" erschienen ist.